Dieser Artikel erklärt ausführlich, unter welchen Voraussetzungen Fluggastrechte bei Verspätung bestehen und wie sie sich am besten geltend machen lassen. Dabei erläutern wir einerseits das besonders wichtige Recht auf die pauschale Entschädigung von 250-600 Euro pro Passagier und andererseits die übrigen sieben Fluggastrechte:
Wenn Sie konkret für die Flugverspätung in Ihrem Fall erfahren möchten, welche Fluggastrechte Ihnen zustehen, nutzen Sie gerne unseren Entschädigungsrechner. Es dauert nur wenige Minuten, ist kostenlos, und erfordert keine Angabe von Kontaktdaten oder eine Beauftragung von Ersatz-Pilot. Anhand unserer Datenbanken prüfen wir Ihre Flugverspätung und geben unsere Einschätzung direkt online.
Aus dem Ergebnis unseres Entschädigungsrechners lässt sich übrigens nicht nur ableiten, ob ein Recht auf Entschädigung besteht. Denn wenn eine Flugverspätung zur pauschalen Entschädigung von 250-600€ berechtigt, ergeben sich in aller Regel noch mehrere weitere Fluggastrechte, wie wir weiter unten erläutern.
Besondere Aufmerksamkeit verdient unter den acht Fluggastrechten bei Verspätung das besonders beliebte Fluggastrecht auf die pauschale Entschädigung von 250-600 Euro. Deswegen haben wir dazu eine Komplettübersicht in einem eigenen Artikel erstellt. In diesem erklären wir, wann Ihnen bei Flugverspätung das Fluggastrecht auf Entschädigung zusteht und wie viel Sie verlangen können. Zudem zeigen und vergleichen wir 3 Wege, wie Sie zu Ihrem Recht kommen:
In unserem Artikel zum Fluggastrecht der Entschädigung bei Verspätung erklären wir dabei unter anderem für jede einzelne Airline:
1. wo sich die eigenständige Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs lohnt (z.B. mit unserem Musterbrief),
2. wo Fluggastportale wie Flightright & Ersatz-Pilot weiterhelfen,
3. welche Alternativen es gibt, um Fluggastrechte bei Verspätung wahrzunehmen.
Um schnell festzustellen, ob Ihnen wegen Ihrer Flugverspätung ein Recht auf Entschädigung zusteht und in welcher Höhe, können Sie außerdem kostenfrei unseren Entschädigungsrechner nutzen. Er gibt Ihnen in wenigen Minuten online eine Einschätzung Ihres Falls. Eine Beauftragung von Ersatz-Pilot und die Eingabe persönlicher Kontaktdaten wie Name und E-Mail-Adresse ist nicht erforderlich:
Bei einer Flugverspätung besteht nicht nur das oben bereits angesprochene Recht auf die pauschale Entschädigung von 250-600 Euro pro Passagier. Stattdessen regeln deutsche und europäische Gesetze noch eine ganze Reihe weiterer Fluggastrechte im Falle einer Verspätung oder Annullierung. Zum besseren Verständnis liefern wir zu den bedeutendsten sieben zunächst
1. das Wichtigste in Kürze.
Danach besprechen wir der Reihe nach die einzelnen Ansprüche auf
2. Verpflegung während der Wartezeit,
3. Unterbringung im Hotel und Flughafentransfer,
4. Erstattung des Ticketpreises,
5. Teilweise Rückerstattung des Pauschalreisepreises,
6. Schadensersatz für verlorenes oder verspätetes Gepäck bis zu 1.131 Sonderziehungsrechte (~1.400 Euro),
7. Schadensersatz für entgangene berufliche Einnahmen bis zu 4.694 Sonderziehungsrechte (~6.600 Euro),
8. kostenlose Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. Telefon, E-Mails).
Inhalt und Anforderungen all dieser Ansprüche stellen wir als nächstes der Reihe nach vor. Grundlegend lässt sich zu ihren Voraussetzungen sagen, dass im Falle eines Anspruchs auf Flugentschädigung in aller Regel zumindest auch die ersten beiden gelisteten Ansprüche bestehen. Die weiteren Ansprüche treten hinzu, wenn sich zusätzliche Probleme ergeben (zum Beispiel der Verlust eines Gepäckstücks). Einen Überblick zu Ihren Aussichten auf die oben gelisteten weiteren Fluggastrechte bei Verspätung können Sie sich deshalb schnell verschaffen, indem Sie Ihren Fall kostenlos in unserem Entschädigungsrechner prüfen:
Die folgende Infografik und ihr Entscheidungsbaum verdeutlichen, unter welchen Umständen Fluggäste Anspruch auf Entschädigungen und andere Leistungen haben. Weiter unten erklären wir die einzelnen Rechtsvoraussetzungen im Detail.
Die nachstehende Tabelle fasst zusätzlich die Voraussetzungen für die wichtigsten Rechte bei Flugverspätung zusammen. Abhängig sind diese Rechte hauptsächlich von der Anwendbarkeit der EU-Fluggastrechteverordnung, dem Ausmaß der Verzögerung und der Ursache der Verspätung. Wenn diese Mindestanforderungen erfüllt sind, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit der jeweilige Anspruch.
Zu beachten ist, dass die Infografik und die Tabelle zur besseren Übersicht nur die wichtigsten Voraussetzungen darstellen. Diese Vereinfachung der rechtlichen Bewertung kann dazu führen, dass es in Einzelfällen zu Abweichungen kommt.
So können beispielsweise sehr alte Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Verjährungsfrist für die jeweilige Entschädigung bei Flugverspätung bereits abgelaufen ist. In Deutschland verjähren die meisten Fluggastrechte bei Verspätung nach drei Jahren gemäß Paragraf 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Verfolgt man einen Anspruch am Start- oder Zielflughafen einer Reise in anderen EU-Staaten, gilt oft eine abweichende Verjährungsfrist, die sich aus der Rechtsordnung des jeweiligen Landes ergibt. In Italien verjährt der Anspruch bereits zwei Jahre nach dem Flug gemäß Artikel 1667 des Italienischen Zivilgesetzbuchs, während in Frankreich eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß Artikel 2224 des französischen Zivilgesetzbuchs gilt. Für eine präzisere Einschätzung zu den verschiedenen Anspruchspositionen empfiehlt es sich daher, Ihren konkreten Fall einmal in unserem Entschädigungsrechner zu prüfen:
Oder Sie werfen einen Blick auf folgende ausführlichere Darstellung der einzelnen Rechte bei Flugverspätung:
Um Fluggästen bei entstandenen Flugverspätungen zu helfen, reicht es nicht aus, dass die ausführende Fluggesellschaft nur eine Ausgleichszahlung leistet. Es gibt zusätzlich mehrere Sachleistungen, auf die Fluggäste bei mehrstündigen Verzögerungen Anspruch haben. Bereits wenn sich die Ankunft um voraussichtlich mindestens zwei Stunden verzögert, schreiben die Artikel 6, 9 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung vor, dass die Airline jedem Passagier kostenlose Snacks und Getränke zur Verfügung stellen muss.
Diese Vorgabe gilt anders als der Entschädigungsanspruch unabhängig von der Ursache der Flugverspätung. Drastisch ausgedrückt: Selbst bei Vulkanausbrüchen, Bombenwarnungen und Orkanen bleibt die Airline verpflichtet, während Flugverspätungen mindestens für die notwendige Versorgung der Reisenden zu sorgen.
Der Umfang der geschuldeten Verpflegung bemisst sich dabei nach der Dauer der Flugverspätung. Artikel 9 der EU-Fluggastrechteverordnung spricht davon, dass die Mahlzeiten und Erfrischungen „in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit“ stehen müssen. Das heißt: Je länger Passagiere warten müssen, desto mehr Getränke und Speisen können sie verlangen. Bei 2-3 stündigen Verspätungen dürfte ein Sandwich und eine Flasche Wasser ausreichend sein. Zieht sich die Verzögerung weiter in die Länge werden eine oder ggf. auch mehrere warme Mahlzeiten fällig.
Zu beachten ist dabei, dass der Anspruch aus Artikel 9 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung zunächst nur ein Anrecht auf die Sachleistung selbst regelt, nicht auf eine Kostenerstattung. Beispielhaft ausgedrückt darf der ein Fluggast bei einer Verspätung am Flughafen München also nicht einfach bei Dallmayr ein Drei-Gänge-Menü mit Weinbegleitung bestellen und erwarten, dass die Fluggesellschaft seine Rechnung übernimmt. Das muss sie nämlich nicht.
Die Airline darf grundsätzlich selbst entscheiden, wie sie dem Anspruch nachkommt, also ob sie zum Beispiel durch eigenes Personal Snacks verteilt oder Essensgutscheine aushändigt. Fluggäste müssen ihr hierzu die Gelegenheit einräumen. Eine eigene Beschaffung von Verpflegung mit anschließender Kostenerstattung kommt hingegen nur in Betracht, wenn die Airline ihrer Verpflichtung trotz Aufforderung nicht nachkommt (siehe Steinrötter, in: Beck-Online-Grosskommentar, Stand: 01.03.2024, Artikel 9 FluggastrechteVO, Randnummern 3, 31).
Fluggäste müssen ihren Verpflegungsanspruch zunächst bei der Airline geltend machen. Erst wenn die Airline die Leistung verweigert, dürfen sie selbst Verpflegung am Flughafen kaufen. Es empfiehlt sich, die Aufforderung gegenüber einem Mitarbeiter der Airline vor Ort im Beisein eines Zeugen vorzunehmen. So sichert man sich ein Beweismittel, falls im Nachgang bei Anforderung einer Kostenerstattung Streitigkeiten über die Bereitschaft der Airline zur eigenständigen Versorgung der Passagiere auftreten. Alternativ kann man sich auch an den Live-Chat der Airline wenden und dort in Textform dazu auffordern, eine Verpflegung ans Gate zu bringen oder Essensvoucher bereitzustellen. Der Vorteil der Kommunikation per Live-Chat besteht darin, dass hierbei die Reaktion der Airline direkt schriftlich dokumentiert ist.
Weigert sich die Airline zur eigenständigen Verpflegung und konnte man diese Weigerung auch per Zeuge oder im Chat festhalten, sind Passagiere berechtigt, sich eigenständig Verpflegung am Flughafen zu kaufen und sich im Nachgang eine Erstattung von der Fluggesellschaft die Kosten erstatten zu lassen. Auch hierbei gilt freilich, dass die Ersatzbeschaffung keine maßlosen Kosten produzieren darf. Das deutsche Recht kennt hierfür den Begriff der so genannten Obliegenheit zur Schadensminderung aus § 254 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Erstattungsfähig sind danach solche Verpflegungskäufe, die dazu dienen, dass der Passagier in der Wartezeit nicht Hunger oder Durst leiden muss. Nicht Sinn des Verpflegungsanspruchs und damit auch nicht erstattungsfähig ist es, sich für die Unannehmlichkeiten der Flugverspätung quasi eine Zusatzkompensation zu verschaffen, indem man besonders großzügig auf Kosten der Airline am Flughafen diniert. Denn für die Kompensation der generellen Unannehmlichkeiten der Verzögerung ist bereits die Pauschalentschädigung gedacht.
Beim Kauf von Verpflegung raten wir im Übrigen dringend dazu, Quittungen aufzubewahren, um die Ausgaben nachweisen zu können. So empfehlen es auch andere Fachbeiträge von Anwälten zu Fluggastrechten bei Verspätung. Ohne Belege wird die Fluggesellschaft die Zahlungspflicht wahrscheinlich ablehnen. Auch vor Gericht und bei der Inanspruchnahme eines Fluggastportals sind entsprechende Belege der Kosten erforderlich. Sollten Belege dennoch nicht mehr vorhanden sein, lassen sich die Verpflegungskosten gegebenenfalls noch anhand von Kontoauszügen nachweisen. Das setzt aber voraus, dass ein Passagier seine Verpflegungskosten elektronisch bezahlt und dass die Abbuchungen hinreichend deutlich auf Ausgaben für Verpflegungen hindeuten.
Die Airline ist verpflichtet, eine Hotelübernachtung zu bezahlen, wenn das Endziel erst am Folgetag erreicht wird. Dies gilt auch für die Kosten der Transfers zwischen Hotel und Flughafen. Diese Regelung ist in Artikel 9 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung festgelegt.
Das Fluggastrecht auf kostenlose Hotelunterbringung kommt dabei im Wesentlichen in zwei Konstellationen zum Tragen. Entweder schon der Abflug am Startort verzögert sich bis zum nächsten Tag. Oder aber man verpasst seinen Anschlussflug und muss am Umsteigeflughafen übernachten, ehe die Weiterreise mit einem Ersatzflug zum Endziel am nächsten Tag folgt. In beiden Fällen kann ein Reisender von seiner Airline eine Einquartierung in einem Hotel in der Nähe des Flughafens verlangen.
Höhere Gewalt ist auch hier kein Ausschlussgrund für den Anspruch auf Unterbringung.
Auch der Anspruch auf eine kostenfreie Hotelübernachtung ist nicht gerichtet auf Kostenübernahme für eine vom Reisenden selbst gewählte Unterkunft, sondern auf die Sachleistung einer Bereitstellung durch die Airline. Das von der Airline gebuchte Hotel muss dabei jedoch einige Mindeststandards erfüllen:
So muss bei der Auswahl des Hotels sichergestellt sein, dass der Fluggast unter Berücksichtigung der An- und Abfahrtzeit mindestens sechs Stunden schlafen kann. Dies leitet etwa der Fachautor Blankenburg in seinem Buch Reiserecht überzeugend daraus ab, dass ansonsten nicht von einer vollwertigen „Hotelunterbringung“ während des „Aufenthalt(s) von einer Nacht“ gesprochen werden könne, welche die Airline im Rahmen von Artikel 9 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung schuldet (Blankenburg, in: Reiserecht, 2. Auflage, § 4, Randnummer 54).
Bei der gewählten Unterkunft muss es sich zudem mindestens um ein 3-Sterne-Hotel handeln. Einfache Einrichtungen wie Jugendherbergen oder Hostels sowie Hotels mit nur einem oder zwei Sternen (nach dem DEHOGA-Maßstab) entsprechen dagegen in der Regel nicht den Anforderungen an Qualität und Sicherheit (so Neumann, in: RRa 2024, Seiten 51 ff.).
Weiterhin muss die Airline sicherstellen, dass der Transfer vom Flughafen zum Hotel und zurück kostenlos angeboten wird. Die Wahl des Beförderungsmittels ist dabei der Airline überlassen. Bei einem Hotel in fußläufiger Nähe zum Flughafen muss die Airline kein Taxi oder Busshuttle organisieren. Liegt das Hotel jedoch mehr als 10-15 Gehminuten vom Terminal entfernt, muss die Airline dafür Sorge tragen, dass die Reisenden vom Terminal abgeholt und zurückgebracht werden. Denkbar ist hierfür im Falle einer entsprechenden Nahverkehrsanbindung bereits ein Ticket für den ÖPNV. Ansonsten muss die Airline auf ein Busshuttle oder ein Taxi zurückgreifen.
Weigert sich die Airline zur Bereitstellung oder erfüllt ihr Arrangement nicht die Mindestanforderungen, darf der Reisende ersatzweise selbst ein angemessenes Hotel auswählen und der Airline die Kosten in Rechnung stellen. Aber nur und erst in diesem Fall, dass die Airline die von ihr geschuldete Sachleistung nicht selbst übernimmt. Gleiches gilt für eine etwaige Taxifahrt zum und vom Hotel, falls dieses nicht fußläufig vom Terminal entfernt am Flughafen liegt und die Airline trotz Aufforderung keinen Transfer organisiert. So stellt es zutreffend Hopperdietzel im Beck-Online-Kommentar zur EU-Fluggastrechteverordnung fest (30. Edition 2024, Artikel 9, Randnummern 11ff.).
Um das Recht auf kostenlose Unterbringung effektiv wahrzunehmen, sollten betroffene Passagier zunächst einen Mitarbeiter der Airline auffordern. Möglich ist dies, sobald sich abzeichnet, dass eine Weiterbeförderung erst am nächsten Tag stattfindet. Die Fluggesellschaft muss dabei die Sachleistungen selbst erbringen. Ihr ist deshalb Gelegenheit zu geben, selbstständig ein Hotel für die Unterbringung betroffener Reisender zu buchen.
Derweil ist die Fluggesellschaft nicht verpflichtet, Leistungen Dritter zu bezahlen, die Reisende ohne Absprache in Anspruch nehmen. Fluggäste müssen ihre Ansprüche zunächst bei der Airline geltend machen. Erst wenn die Airline die Leistung verweigert, dürfen sie selbst Verpflegung kaufen, ein Hotelzimmer buchen und die Kosten der Airline in Rechnung stellen (Steinrötter, in: Beck-Online-Großkommentar, Stand: 01.03.2024, Artikel 9 Fluggastrechte-Verordnung, Rn. 3, 31).
Bei Flugausfällen und Nichtbeförderung ist die Airline weiterhin verpflichtet, die gebuchten Passagiere zu befördern. Das gleiche Fluggastrecht besteht auch bei einer Verspätung von über fünf Stunden. Selbst wenn die Ersatzbeförderung dabei nicht pünktlich gelingt, muss die Fluggesellschaft die Beförderung nachholen, notfalls durch Umbuchung. Dies ist in Artikel 8 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung festgelegt.
Entscheidet sich der Fluggast jedoch, selbst eine Alternative zu buchen oder auf die Beförderung zu verzichten, kann er die Rückerstattung des Ticketpreises verlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ankunftsverspätung auf dem ursprünglich gebuchten Flug mindestens fünf Stunden betragen würde oder der Flug ausfällt und keine zeitnahe Ersatzbeförderung bereitgestellt wird. Es genügt hierbei, dass sich im Vorfeld des Fluges abzeichnet, dass eine Ankunft am Zielort frühestens über fünf Stunden nach Plan möglich wäre.
Tritt der Fluggast einen Flug dagegen nicht an, der weniger als fünf Stunden verspätet ist, besteht kein Anspruch auf Rückzahlung des vollen Flugpreises. Was Reisenden bei Nichtantritt der Reise jedoch gleichwohl zusteht, ist zumindest der gesetzliche Anspruch auf Erstattung von Steuern und Gebühren im Reisepreis. Dies gilt selbst dort, wo Airlines wie Ryanair versuchen, diesen Anspruch mit ihren AGB zu beschränken.
Unterdessen ist es für die volle Ticketerstattung nicht erforderlich, dass die über fünfstündige Verzögerung auf beherrschbare Ursachen zurückgeht. Selbst bei höherer Gewalt muss die Airline den Ticketpreis zurückzahlen, wenn der Fluggast auf die Beförderung verzichtet. Dies bestätigte der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 31. Januar 2013, C-12/11 McDonagh/Ryanair.
Wie aus dem Wortlaut von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a) der EU-Fluggastrechteverordnung hervorgeht, kommt es für die Ticketerstattung im Übrigen nicht darauf an, dass die Flugstörung erst kurzfristig auftritt. Selbst bei lange im Voraus bekannt gegebenen Flugausfällen oder Verzögerungen besteht ein Recht, sich den Flugpreis zurückzahlen zu lassen, wenn man nicht mitfliegt. Damit bleiben die Voraussetzungen der Ticketerstattung merklich hinter denen für eine Flugentschädigung zurück.
Liegen die eben beschriebenen Voraussetzungen vor, kann der Flugreisende den vollen Reisepreis zurückverlangen. Dieser Anspruch tritt neben das Recht auf eine Entschädigung wegen des Flugausfalls, ohne dieses einzuschränken. Entsteht der Anspruch auf Ticketerstattung hingegen wegen einer Flugverspätung und tritt der Reisende den Flug nicht an, kann er nicht zugleich die Entschädigung fordern. Denn bei Flugverspätungen erwirbt den Entschädigungsanspruch wie oben beschrieben nur derjenige, der tatsächlich mitfliegt.
Nimmt der Reisende wegen der Verspätung von der Beförderung Abstand, bleibt ihm stattdessen nur der Anspruch auf die Ticketerstattung.
Wer statt einer verspäteten Beförderung zu seinem Reiseziel eine Rückerstattung des Flugpreises bevorzugt, sollte diese zunächst von der Airline anfordern. Die meisten Fluggesellschaften sind nach der Corona-Pandemie wieder dazu übergegangen, bei Flugausfällen oder drastischen Verspätungen den Flugpreis freiwillig zurückzuerstatten. Viele Fluggesellschaften bieten alternativ zudem Gutscheine mit höherem Guthaben als dem ursprünglichen Reisepreis. Wer in naher Zukunft wieder fliegen möchte, sollte diese Option in Betracht ziehen.
Wenn Fluggesellschaften dagegen ausnahmsweise die Rückerstattung verzögern oder verweigern, bleiben die gleichen Alternativen wie bei der Durchsetzung des Rechts auf Flugentschädigung (dazu mehr hier). Denkbar ist beispielsweise die Nutzung eines Fluggastportals, das einen Service für Ticketerstattungen anbietet. Dazu zählen Flightright und FairPlane. Anders als Ersatz-Pilot setzen diese Fluggastportale auch Erstattungsansprüche gegen eine Erfolgsprovision durch. Erfahrungsberichte und unabhängige Bewertungen zu ihren Angeboten finden sich auf Trustpilot und bei dem Vergleichsportal Qamqam.
Ist ein Flug Teil einer Pauschalreise, genießen Fluggäste zusätzlichen Schutz durch das Reiserecht gemäß §§ 651a ff. BGB, wenn deutsches Recht Anwendung findet. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Reise bei einem deutschen Reiseveranstalter gebucht wurde oder wenn ein ausländischer Reiseveranstalter seine Tätigkeit auf deutsche Touristen ausrichtet. Das ergibt sich aus Artikel 6 Absatz 1 der Rom-I-Verordnung.
Besonders relevant unter den Regelungen zu Pauschalreisen ist dabei das Recht, den Reisepreis bei Mängeln zu mindern oder eine teilweise Rückerstattung zu verlangen. Dieser Anspruch ist in § 651m Absatz 1 BGB festgelegt. Damit er zum Tragen kommt und ein Urlauber den gezahlten Reisepreis anteilig zurückfordern darf, muss lediglich auf seiner Pauschalreise ein Reisemangel auftreten.
Eine Flugverspätung gilt als solcher „Reisemangel“, wenn sie bestimmte Zeiträume überschreitet. Die Grenzwerte richten sich dabei nach der Länger des Fluges:
Ab der sechsten Stunde der Verspätung kann der Tagessatz des Reisepreises für jede weitere Stunde um 5 % gemindert werden. Um zu veranschaulichen, um wie viel Geld es geht, hierzu ein Rechenbeispiel:
Dauert die Verspätung länger, steigt die Minderungsquote sogar überproportional. Bei einer Verspätung von über einem halben Tag muss der Reiseveranstalter 150 € erstatten. Verschiebt sich die Ankunft um einen ganzen Tag, ist der volle Tagessatz von 300 € zurückzuzahlen. Das Minderungsrecht beziehungsweise der Anspruch auf Erstattung des überzahlten Teils des Reisepreises richtet sich dabei gemäß § 651m Absatz 1 BGB gegen den Reiseveranstalter.
Gleichwohl ist die Minderung nicht mit dem Anspruch auf pauschale Entschädigung kombinierbar. Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 der EU-Fluggastrechteverordnung erlaubt Airlines nämlich die Verrechnung der Ausgleichszahlung von bis zu 600 € gemäß Artikel 7 der Verordnung mit weitergehenden Schadensersatzansprüchen. Der Bundesgerichtshof bestätigte hierzu mit Urteil vom 30.09.2014, X ZR 126/13, dass auch mit Minderungsansprüchen verrechnet werden darf. Das bedeutet, dass Reisende nicht auch noch eine pauschale Flugentschädigung verlangen dürfen, wenn sie wegen der Verspätung den Pauschalreisepreis mindern.
Wer auf einer Pauschalreise eine Flugverspätung erleidet, für den lohnt sich eine Abwägung dazwischen, ob er von der Airline eine pauschale Entschädigung verlangt oder eher eine Minderung vom Reiseveranstalter. Was sich für Reisende besser rechnet, hängt davon ab, auf welcher Strecke man reist und wie groß die Flugverspätung ausfällt.
Im Regelfall ist die Entschädigung größer. Denn bei den meisten Verzögerungen im Flugbetrieb beträgt die Ankunftsverspätung zumindest weniger als einen Tag und gleichzeitig beträgt der (minderungsfähige) Tagessatz bei den meisten Pauschalreisen weniger als 250 Euro. Das Minderungsrecht ist dementsprechend nur in zwei Fällen vorzugswürdig:
Ein Fluggast kann für Gepäckschäden gesondert Ersatz verlangen. Grundlage hierfür ist im Anwendungsbereich des deutschen Rechtes § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB. Im Rahmen der Norm bildet der Verlust oder die Beschädigung von Gepäck eine Pflichtverletzung der Fluggesellschaft. Dies erfüllt die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch.
Die Artikel 17 und 18 des Montrealer Übereinkommens stellen zudem den Verlust von Gepäckstücken einer Beschädigung gleich. Ein Gepäckstück gilt dabei gemäß Artikel 17 Absatz 3 des Montrealer Übereinkommens als verloren, wenn es 21 Tage nach dem planmäßigen Ankunftsdatum nicht eingetroffen ist.
Auch die verspätete Auslieferung von Gepäck gilt als Pflichtverletzung. Müssen aufgrund der Verspätung Kleidung, Verpflegung oder technische Geräte gekauft werden, handelt es sich um einen ersatzfähigen Schaden. Geregelt ist dies wiederum in Artikel 19 Satz 1 des Montrealer Übereinkommens. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn sich die Auslieferung von Gepäck am Reiseziel verspätet. Die Gepäckverspätung im Zuge des Rückfluges zum eigenen Wohnort begründet hingegen regelmäßig kein Recht auf Gepäckverspätung.
Eine weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Gepäckentschädigung ist stets, dass der Reisende den Verlust oder die Beschädigung der Airline unverzüglich schriftlich meldet. So verlangt es Artikel 31 des Montrealer Übereinkommens. Dies erfordert regelmäßig, dass der Passagier noch am Ankunftsflughafen das Problem am Lost & Found Schalter in der Gepäckannahme-Halle anzeigt. Dort stehen entsprechende Formulare zur Verfügung. Unterbleibt die rechtzeitige förmliche Meldung, gilt nach Artikel 31 Absatz 1 des Montrealer Übereinkommens die Vermutung, dass das Gepäck dem Reisenden unbeschädigt und vollständig ausgehändigt worden ist. Dadurch wird es praktisch sehr schwer, noch erfolgreich den Anspruch auf Gepäckentschädigung erfolgreich geltend zu machen.
Zwar verlangt § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB zudem, dass die Airline die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Diese Verantwortung wird jedoch gesetzlich vermutet, solange die Fluggesellschaft keinen Gegenbeweis erbringen kann.
Die Rechtsprechung geht hierbei fast immer davon aus, dass ein Gepäckverlust grob fahrlässig ist, so etwa das Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 15.5.2005, 22 U 145/04. Deshalb führt eine Gepäckbeschädigung regelmäßig bereits zur Haftung der Airline. Dies steht im Einklang mit dem relevanten Völkerrecht. Das auch von Deutschland ratifizierte Montrealer Übereinkommen nennt in Artikel 17 Absätzen 2 und 3 die Fahrlässigkeit nicht als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches für Beschädigung oder Verlust von Gepäck. Gleichwohl bleibt es ein Ausschlussgrund für den Schadensersatzanspruch, wenn nachweislich der Reisende selbst den Schaden oder den Verlust seines Gepäcks verursacht hat. So regelt es Artikel 20 des Montrealer Übereinkommens.
Bei einer Gepäckbeschädigung ist der Schadensersatzanspruch aus Artikel 17 Absatz 2 des Montrealer Übereinkommens gerichtet auf die Reparatur des beschädigten Koffers. Falls diese nicht möglich oder unverhältnismäßig teuer ist, richtet sich der Anspruch stattdessen auf die Wiederbeschaffung des beschädigten Koffers und in Mitleidenschaft gezogener Inhalte. Nach deutschem Recht kann der Gläubiger dabei gemäß § 249 Absatz 2 BGB den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Diesen kann der Reisende auch fordern, wenn sein Gepäckstück beim Transport verloren geht. Der Schadensersatzanspruch bemisst sich dann nach dem Wiederbeschaffungswert von Koffer und Inhalt.
Bei Gepäckverspätung am Reiseziel abseits des Heimatortes sind Reisenden zudem die Kosten zu ersetzen, die für den Neukauf von Kleidung und sonstigen unmittelbar zum täglichen Bedarf benötigten Gegenständen anfallen. Dazu zählen beispielsweise Medikamente und Hygieneprodukte, die sich im Koffer befanden.
Artikel 22 Absatz 2 des Montrealer Übereinkommens definiert bei alledem eine Haftungsobergrenze. Beschränkt ist der Schadensersatz wegen Gepäckverlust oder -verspätung pro Person auf 1.288 so genannte Sonderziehungsrechte. Dies entspricht auf dem Stand vom 26.06.2024 1.571,47 Euro. Der Wert schwankt nur geringfügig, lässt sich aber tagesaktuell mit einem Wechselkursrechner ermitteln.
Erfahrungsgemäß sind Airlines durchaus freiwillig bereit, eine Gepäckentschädigung zu leisten, wenn man sie auffordert. Denn oft bleiben Airlines auf dem Schaden nicht selbst sitzen. Stattdessen können sie den jeweiligen Flughafenbetreiber in Regress nehmen, der für das Einladen und Entladen der Koffer verantwortlich war. Voraussetzung ist dafür im Wesentlichen, dass das Gepäckproblem sauber dokumentiert wird.
Um den Anspruch durchzusetzen, ist es deshalb von größter Wichtigkeit, Beschädigung, Verlust oder Verspätung von Gepäck nachzuweisen. Wichtig ist dafür die Aufbewahrung des Gepäckaufklebers oder des elektronischen Einlieferungsbelegs, der eine Zuordnung des aufgegebenen Gepäcks ermöglicht.
Der Verlust oder die Verspätung des Gepäcks muss ferner unverzüglich angezeigt werden. Unverzüglich heißt, ohne schuldhaftes Zögern. Wenn es also keinen dringenden Grund gibt, trotz Gepäckproblems den Flughafen am Zielort zu verlassen, muss ein Betroffener den Vorfall bereits dort melden. Hierzu erhalten Passagiere am Lost & Found Schalter direkt neben den Gepäckbändern ein PIR-Formular, um ihre Gepäckprobleme zu melden. Eine Kopie der Schadensmeldung sollte unbedingt für die weitere Durchsetzung der Ansprüche aufbewahrt werden.
Weiterhin muss nachgewiesen werden, welcher Inhalt im Gepäckstück war und welche Kosten für den Kauf von Ersatz entstanden sind. Rechnungen für den Neukauf sollten ebenso aufbewahrt werden wie Fotos vom Inhalt des Koffers bei Reisebeginn. Fehlen solche Nachweise, können auch Reiseunterlagen hilfreich sein, die auf einen gewissen Gepäckinhalt schließen lassen. Wer beispielsweise einen mehrwöchigen Urlaub in einem fremden Land nachweisen kann, plausibilisiert damit, dass Kleidung im Koffer mitgeführt wurde.
Generell empfiehlt es sich aber, maßvoll mit dem Recht zum Nachkauf umzugehen. Sonst riskiert man, dass die Airline übermäßige Kosten nicht erstatten muss. Genau das droht nämlich, soweit sich nicht nachweisen lässt, dass sie wirklich erforderlich waren, um Kofferinhalte zu kompensieren. Das gilt insbesondere, wenn das Gepäck sich nur verspätet und nicht verloren gegangen ist.
Denn auch im Zusammenhang mit der Gepäckentschädigung gilt die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Absatz 2 BGB. Das heißt, Neukäufe dürfen nicht unangemessen sein. Selbst wenn jemand beispielsweise eine teure Uhr im verspäteten Gepäck verstaut hat, wäre es unverhältnismäßig, das gleiche Modell nachzukaufen, um einige Tage Wartezeit bis zur Ankunft des Koffers zu überbrücken. Der Schadensersatzanspruch ist in erster Linie dazu gedacht, sich von der Airline Kosten des täglichen Bedarfs bis zur Ankunft des Koffers erstatten zu lassen, nicht aber Luxusausgaben.
Auch weitergehende Schadensersatzansprüche wegen Verspätung können gegen eine Fluggesellschaft geltend gemacht werden. Nach Ansicht einiger Fachautoren ist hierbei zwar die pauschale Flugentschädigung von bis zu 600 € gemäß Artikel 12 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung anzurechnen.
Aber immerhin ist ein höherer Schadensersatzanspruch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Denn Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens schreibt vor, dass eine Airline den Schaden ersetzen muss, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht.
Der Schadensersatzanspruch ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn die Airline nachweist, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben. Diese Voraussetzung aus Artikel 19 Satz 2 des Montrealer Übereinkommens erinnert an Artikel 5 Absatz 3 der EU-Fluggastrechteverordnung. Hier wie dort ist eine Airline von der Entschädigungspflicht befreit, wenn Einflüsse außerhalb der Einflusssphäre des Luftfahrtunternehmen die Verzögerung verursachen und sich nicht mit zumutbaren Maßnahmen vermeiden lassen. Ebenso setzt das allgemeine deutsche Schuldrecht (§ 280 Absatz 1 Satz 2 BGB) voraus, dass die Flugverspätung eine beherrschbare Ursache hatte.
Etwas vereinfacht gesagt sind die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens weitgehend die für den Entschädigungsanspruch aus Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung. Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied:
Die EU-Fluggastrechteverordnung erfordert für ihren Anspruch keinen konkreten Nachweis eines quantifizierbaren Vermögensschadens aufgrund der Flugverspätung. Stattdessen arbeitet Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung ja gerade mit pauschalen Entschädigungshöhen. Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens setzt hingegen einen tatsächlichen materiellen Schaden voraus. Zumindest, wenn die Norm im Rahmen des deutschen Rechts zur Anwendung kommt. Denn immaterielle Schäden wie Ärgernisse, Reisestrapazen oder verlorene Urlaubsfreuden sind nach deutschem Recht grundsätzlich nicht erstattungsfähig (§ 253 Absatz 1 BGB). Ein Schadensersatzanspruch kommt dagegen gemäß § 252 BGB nur in Betracht, wenn dem Passagier ein konkreter in Geld aufwiegbarer Gewinn entgeht. Dies ist nur für wenige Fallgruppen anerkannt:
Ein häufiger Anwendungsfall ist die Verzögerung des Rückflugs auf den Folgetag, wodurch der Fluggast seinen Arbeitstag verpasst. In diesem Fall kann der entsprechende Verdienstausfall erstattet werden. Besonders für Gutverdiener kann sich die Geltendmachung solcher Ansprüche bei Flugverspätungen auf Kurz- oder Mittelstrecken lohnen.
Auch Passagiere, die am Zielort eine bezahlte Veranstaltung wie ein Seminar, eine Lesung oder ein Konzert abhalten, können einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn der Termin aufgrund der Flugverspätung abgesagt werden muss und das Honorar entfällt. Sowohl Artikel 19 MÜ als auch das allgemeine deutsche Schuldrecht (§ 280 Absatz 1 Satz 2 BGB) setzen jedoch voraus, dass die Flugverspätung eine beherrschbare Ursache hatte.
Der Schadensersatzanspruch besteht nach § 249 Absatz 2, § 252 BGB in der Höhe, in der ein Fluggast nachweist, dass ihm wegen der Verspätung ein konkreter geldwerter Gewinn entgangen ist. Praktisch geht es fast immer um einen verspätungsbedingten Verdienstausfall oder das Honorar für einen verpassten Termin am Zielort der Reise. Zu erstatten ist dabei zwar jeweils der vorsteuerliche Betrag. Jedoch sind solche Entschädigungen für den entgangenen Gewinn einkommensteuerpflichtig – im Gegensatz zur Flugentschädigung aus Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung.
Darüber hinaus begrenzt Artikel 22 Absatz 1 des Montrealer Übereinkommens (MÜ) die Höhe entsprechender Schadensersatzansprüche auf maximal 5.346 Sonderziehungsrechte. Das entspricht ungefähr 6.526 Euro (Stand 26.06.2024).
Artikel 12 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnung führt jedoch dazu, dass die pauschale Flugentschädigung mit dem konkret quantifizierbaren Schadensersatzanspruch zu verrechnen ist. Es besteht allenfalls die Möglichkeit, beide konkurrierenden Ansprüche geltend zu machen, wenn die Airline eine Verrechnung unterlässt. Zwar machen die meisten Fluggesellschaften von ihrem Recht zur Anrechnung Gebrauch, doch manchmal verzichten sie bewusst darauf oder vergessen es. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist diese Anrechnung jedoch zwingend erforderlich (Maruhn, in: BeckOK-Fluggastrechte-Verordnung, 10. Edition 2019, Art. 12, Rn. 30ff.).
Ob man eher das Recht auf die pauschale Flugentschädigung von bis zu 600€ verfolgen sollte oder den Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn, bestimmt sich danach, in welcher Höhe man letzteren nachweisen kann. Meist ist es sinnvoller, nur die pauschale Entschädigung einzufordern.
Denn ein weitergehender Schadensersatzanspruch lässt sich selten und auch dann nur sehr aufwendig nachweisen. Der Geschädigte muss belegen können, dass er im Falle der pünktlichen Beförderung einen konkreten Betrag sicher verdient hätte. Das setzt nicht etwa nur die Vorlage eines Arbeitsvertrages oder einer Honorarvereinbarung voraus. Zu zeigen ist stattdessen anhand von E-Mail-Korrespondenz, Terminkalendern und vielleicht auch Zeugenaussagen, dass die berufliche Tätigkeit genau für diesen Tag auch vorgesehen war und nicht etwa bereits entfiel, weil sich der Geschädigte im Urlaub befand. Weiterhin darzulegen ist, dass die vereinbarte Vergütung nicht trotzdem anderweitig gezahlt wurde. Zum Beispiel nach Nachholung der Tätigkeit, für die der Verdient oder das Honorar vereinbart war.
Darüber hinaus trifft den Betroffenen auch hier eine Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Absatz 2 BGB. In deren Rahmen ist er gehalten, dem Verdienstausfall vorzubeugen. Eine Schadensersatzpflicht scheidet aus, wenn es ihm möglich gewesen wäre, die eigentlich am Zielort vorgesehene Tätigkeit von unterwegs oder aus dem Home Office zu verrichten. Wäre dies zumindest teilweise möglich gewesen, vermindert sich der Schadensersatzanspruch.
Zugleich müsste der Schadensersatzanspruch eine beachtliche Höhe aufweisen, um gegenüber dem Recht auf die pauschale Entschädigung den Vorzug zu verdienen. Denn der reale Wert der erstrittenen Entschädigung mindert sich noch einmal um die einkommensteuerliche Belastung. Diese trifft nach § 24 Nr. 1 EStG wie beschrieben Entschädigungen für entgangene Gewinne, nicht aber die Entschädigungspauschale nach Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung. Vereinfacht gesagt heißt das: Wer Anspruch auf die Entschädigungspauschale aus Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung für einen verspäteten Kurzstreckenflug in Höhe von 250€ hätte, müsste bei einer Grenzbesteuerung seiner Einkünfte von 33% einen Verdienstausfall von mindestens ca. 400€ nachweisen können, damit der Schadensersatzanspruch unterm Strich mehr wert ist.
Fazit: Nur wenn der Schaden erstens gut dokumentiert und zweitens deutlich höher als die Entschädigungspauschale der EU-Fluggastrechteverordnung ausfällt, lohnt es sich, den Ersatzanspruch wegen entgangener Gewinne zu verfolgen. Hierfür empfiehlt sich die Beauftragung eines Anwaltes, weil in diesen Konstellationen meist ein Gerichtsverfahren nötig ist. Dabei erfordert allein schon die Strukturierung der einzelnen zu beweisenden Teilpunkte und der jeweiligen Beweisangebote anwaltliche Expertise.
In der Smartphone-Ära jederzeitiger Erreichbarkeit eher vernachlässigbar, vermittelt eine voraussichtliche Ankunftsverspätung außerdem noch ein Recht auf kostenlose Kommunikationsmöglichkeiten. Die Anforderungen an dieses Recht sind die gleichen wie die Voraussetzungen des Rechts auf kostenlose Verpflegung. Das Kommunikationsrecht besteht, sobald sich gemäß Artikel 6 der EU-Fluggastrechteverordnung abzeichnet, dass man das Endziel mit einer Verspätung von über 2 Stunden erreicht.
Bei einer entsprechend gravierenden Verzögerung kann ein Flugreisender nach Artikel 9 Absatz 2 der EU-Fluggastrechteverordnung verlangen, kostenlos zwei Telefongespräche zu führen oder zwei E-Mails zu versenden. Das ist für sich genommen natürlich eine unbeachtliche Leistung, wenn am Flughafen ein kostenloser WLAN-Zugang besteht. Dann kann ein Reisender ohnehin ohne Mehrkosten telefonieren oder Mails verschicken.
Relevant wird der Anspruch dort, wo kein kostenloses WLAN am Flughafen zur Verfügung steht. Denn hier kann der Anspruch dazu führen, dass man von der Airline die Bereitstellung eines kostenlosen WLAN-Passes oder (bei Weigerung) Kostenübernahme dafür fordern darf.
Zwar richtet sich der Anspruch nicht direkt hierauf. Der WLAN-Pass ermöglicht ja generell die Internetnutzung.
Dennoch hält vermutlich keine Airline im Jahr 2024 noch eine kleiner dimensionierte Lösung bereit, um dem Recht auf zwei Anrufe oder zwei E-Mails nachzukommen. An den wenigsten Flughäfen stehen überhaupt noch Internetterminals oder gar Münz-Fernsprecher, die der Gesetzgeber vermutlich im Auge hatte, als er das Kommunikationsrecht 2004 in die EU-Fluggastrechteverordnung hineinschrieb. Und selbst wenn es solche Einrichtungen noch gibt, ist der WLAN-Zugang am Flughafen vermutlich günstiger als eine halbstündige Nutzung des Internet-Terminals.
Sollte einem Reisenden kein kostenloses WLAN zur Verfügung stehen, kann er einen Airline-Mitarbeiter auffordern, ihm die Möglichkeit zu verschaffen, kostenlos zwei E-Mails zu verschicken. Dies kann er mit der Anregung verbinden, dass die Airline hierfür die Kosten für den Zugang zum Flughafen WLAN übernimmt. Weigert sich die Airline, dem nachzukommen, darf der Reisende eigenständig Abhilfe schaffen. Er kann entgeltlich einen WLAN-Pass bzw. sich kostenpflichtig ins Flughafen-WLAN erwerben und der Airline die Kosten dieser Ersatzvornahme in Rechnung stellen. Wichtig sind dabei die gleichen Aspekte wie bei der ersatzweisen Selbstbeschaffung von Verpflegung.
Einerseits muss der Fluggast Sorge für einen Nachweis dafür tragen, dass die Airline ihm nicht selbst zur kostenlosen E-Mail-Kommunikation verholfen hat. Andererseits gebietet die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches auch hier, nur so viele Kosten zu produzieren, wie sie erforderlich sind, um das Kommunikationsrecht wahrnehmen zu können, sprich 2 E-Mails zu versenden.
Das bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach, dass der Reisende nur Ersatz für die Kosten des günstigsten WLAN-Passes verlangen kann, nicht für den teuersten. Denn schon ein Internetzugang von beispielsweise einer Stunde dürfte ausreichen, um zwei E-Mails zu verschicken.
Laura Held erstellte diesen erstmals am 11.07.2024 veröffentlichten Artikel. Seit 2021 ist sie Mitarbeiterin im Team von Ersatz-Pilot und steuert seither Artikel zu unserer Online-Redaktion bei. Das Thema des hiesigen Artikels kennt sie auch aus eigener privater Erfahrung. So profitierte sie schon mehrfach auf eigenen Reisen von ihren Fluggastrechten bei Verspätung. Letztes Jahr konnte sie beispielsweise nach einem verpassten Anschlussflug eine Entschädigung sowie Hotelübernachtung am Umsteigeflughafen verlangen.
Dr. Christopher Wekel überprüfte die im Artikel enthaltenen Darstellung der Rechtslage auf ihre Richtigkeit und konnte diese bestätigen. Als Rechtsanwalt ist er Gesellschafter der Hamburger Kanzlei Pale Bridge Rechtsanwälte. In dieser Funktion berät er Ersatz-Pilot als Mandantin in reiserechtlichen Fragen. Dabei analysiert er für das Fluggastportal unter anderem die aktuelle Rechtsprechung zu Fluggastrechten und verfasst Gutachten zu diesem Themenkomplex.